Waldorfpädagogik: Unterschied zwischen den Versionen

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== Literraturhinweise ==
== Literraturhinweise ==
Lit. (kritisch): K. Prange, Erziehung zur Anthroposophie, 1985; C. Rudolph, Waldorf-Erziehung. Wege zur Versteinerung, 1987; L. Gassmann, Rudolf Steiner und die Anthroposophie, 2002.
Lit. (kritisch): K. Prange, Erziehung zur Anthroposophie, 1985; C. Rudolph, Waldorf-Erziehung. Wege zur Versteinerung, 1987; L. Gassmann, Rudolf Steiner und die Anthroposophie, 2002.
[[Kategorie:Anthroposophie]]

Version vom 15. Februar 2022, 02:01 Uhr

Pädagogisches System innerhalb der Anthroposophie mit Schulen und Kindergärten. Zur Entstehung der ersten Waldorfschule kam es im Jahre 1919 durch die Initiative des Besitzers der Stuttgarter Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik, Emil Molt. Er suchte nicht nur seinen Arbeitern, sondern auch deren Kindern eine Ausbildung auf spiritueller Grundlage zu vermitteln, und so reifte Anfang 1919 der Plan, eine "staatsfreie, auf ganzheitliche Menschenbildung hin ausgerichtete Schule" zu schaffen. Bei der Gründung der ersten Waldorfschule war zunächst daran gedacht, nur Kinder aus der Belegschaft der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik aufzunehmen, doch wurde diese Beschränkung bald verworfen. Die Waldorfschule soll allen offen stehen. Es soll nach der Aussage Rudolf Steiners auch keine Anthroposophie gelehrt werden, vielmehr soll die Anthroposophie in der Erziehung selbst zur Tat werden.

So sagte er bei der Eröffnung der ersten Waldorfschule mit 200 Kindern und 15 Lehrern am 7.9.1919 in Stuttgart:

"Jedenfalls soll sie nicht werden eine Weltanschauungsschule. Derjenige, der da sagen wird, die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft gründe die Waldorfschule und wolle nun ihre Weltanschauung hineintragen in diese Schule - ich sage das jetzt am Eröffnungstage -, der wird nicht die Wahrheit sagen. Uns liegt gar nichts daran, unsere 'Dogmen', unsere Prinzipien, den Inhalt unserer Weltanschauung dem werdenden Menschen beizubringen. Wir streben nicht danach, eine dogmatische Erziehung zu bewirken. Wir streben danach, dass dasjenige, was wir gewinnen können durch die Geisteswissenschaft, lebendige Erziehungstat werde" (G. Wachsmuth, R. Steiners Erdenleben und Wirken, 1951, 387).

Die Anthroposophie soll also nicht explizit gelehrt werden - das kann sie auch nicht, weil nach Steinerscher Theorie der Mensch die Anthroposophie erst ab der Ausbildung des "Ich-Leibes" im 21. Lebensjahr verstehen kann -, aber sie soll durch die - in der Regel anthroposophische - "Lehrerpersönlichkeit", durch die Eurythmie, durch den Baustil, durch die ganze Atmosphäre an der Schule zur "Tat" werden. Allerdings ist diese indirekte Wirkung der Anthroposophie viel gefährlicher als ein direktes, offenes Lehren ihrer Inhalte, weil das Kind so unbewusst in die ganze Atmosphäre des Steinerschen Okkultismus hineinwächst. Insbesondere durch die Eurythmie, die durchgehendes Pflichtfach ist, findet eine Öffnung für okkulte Mächte statt.

Ferner ist der "Lehrplan der Freien Waldorfschulen" - und demzufolge der Unterricht - keineswegs so "neutral", wie Steiner es hinstellen möchte. Einige Beispiele lassen die anthroposophische Färbung der Unterrichtsinhalte deutlich erkennen: "Die Pflanzenlehre wird immer im Zusammenhang mit dem Leben der Erde als eines lebendigen, einheitlichen Organismus behandelt" (Lehrplan, bearb. v. C. Heydebrand, S. 27). Hier klingt die Steinersche Spekulation von der Erde als einem "geistigen Organismus" bzw. Träger des "Christus-Geistes" durch. - Ferner soll der Schüler aus dem Naturkunde-Unterricht "ein Bild des Menschen mit sich nehmen, das ihm den Menschen als Zusammenfassung der Naturreiche, als Mikrokosmos zeigt" (S. 36) - eine Vorstellung der mittelalterlichen Esoterik, etwa bei Paracelsus. - Die Evolution slehre wird in ihrer Steinerschen Form gelehrt: "Jedes Tier erscheint als ein verselbständigtes Organ oder Organglied des Menschen, die Tierwelt als der in seine Teile zerspaltene Mensch" (S. 53) - ein Gedanke, mit dem ein Schüler an einer staatlichen Schule die Abschlussprüfung wohl kaum bestehen dürfte. - Als Beispiel, das den Einfluss der Astrologie in den Waldorfschulen dokumentiert, sei auf den "Planetentanz" in der Eurythmie hingewiesen (S. 25).

In einer Orientierungshilfe der Landessynode der Evangelischen Kirche von Württemberg unter dem Thema "Die Waldorfschule aus evangelischer Sicht" wird zusammenfassend festgestellt:

"Die weltanschauliche Durchdringung der gesamten Waldorferziehung und damit auch des Unterrichts ist ein zentrales Prinzip. Steiners Wissenschaftsbegriff setzt sich nachdrücklich ab vom modernen Wissenschaftsverständnis. Vorwissenschaftliche und außerwissenschaftliche Denkweisen und Überlieferungen haben in Steiners 'Erziehungskunst' einen bedeutenden Platz. So werden zum Beispiel alte Sagen und Mythen in wissenschaftliche Schulfächer eingebaut und 'unkritisch' dem Schüler als Lernpensum aufgetragen. In der Physik und Mathematik der Waldorfschule finden sich Elemente aus der Astrologie, im Geschichtsunterricht der Mythos vom untergegangenen >Atlantis (samt Jahreszahlen und kulturellen Detailbeschreibungen, vermittelt als historische Fakten), in der Tier- und Menschenkunde anthropomorphe symbolistische Parallelen (z.B. zwischen dem Kopffüßler und dem Kopf des Menschen)."

Es ist somit zwar richtig, dass das Steinersche Weltanschauungssystem in den Waldorfschulen nicht als Ganzes gelehrt wird, aber während des "normalen" Unterrichts kommen Elemente daraus immer wieder zum Tragen. Neben dem konfessionellen Religionsunterricht für die Mitglieder der großen Kirchen werden übrigens ein anthroposophischer "Freier christlicher Religionsunterricht" sowie ein Religionsunterricht der Christengemeinschaft angeboten, der z.B. ausführlich die Steinersche Christosophie entfaltet. Aber verpflichtend ist die Teilnahme an den letztgenannten Fächern nicht. Betrachtet man die genannten Beispiele, dann kann man dem Pädagogen Wolfgang Schneider nur zustimmen, der fordert, die weltanschauliche Komponente der Waldorfpädagogik endlich offen zuzugeben:

"Im übrigen zeigt Steiners Sprache eindeutig, dass es ihm um eine weltanschauliche Schule geht, wenn er etwa betont, dass der Lehrplan von dem bestimmt ist, 'was als Menschenkenntnis vorhanden ist', wenn er die Lehrer auffordert, im Auftrag und in Verbindung mit geistigen Mächten zu arbeiten bzw. 'vom Standpunkt einer wirklichen Weltanschauung' zu erziehen, und wenn er ein Eindringen ins übersinnliche Leben als Voraussetzung für die Erziehung ansieht. Waldorfschulen sind deshalb Weltanschauungsschulen. Dies zuzugestehen, würde der sachlichen Diskussion um deren Inhalte nur nützlich sein. Sonst wird man zu Recht den Vorwurf des Etikettenschwindels erheben dürfen" (Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Pädagogik 4/1992, 463).

Auch die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche stellt im Blick auf die Waldorfpädagogik in einer "Orientierungshilfe" fest: "Anthroposophie wird im Unterricht zwar nicht gelehrt, ist aber die Grundlage allen pädagogischen Tuns."

Nun bleibt zu fragen: Was macht Waldorf- bzw. Rudolf Steiner-Schulen auch für Nichtanthroposophen so attraktiv? Immerhin gibt es allein in Deutschland über 125 Waldorfschulen und über 300 Waldorf-Kindergärten. Was bewegt so viele Eltern, ihre Kinder in eine solche Einrichtung zu schicken? Sicherlich die Tatsache, dass sie - zumindest vordergründig gesehen - in rein pädagogischer Hinsicht manche Vorteile gegenüber anderen Schulen und Kindergärten aufweist. So gibt es nicht den starken Leistungsdruck wie in staatlichen Schulen, man kann nicht "sitzen bleiben", das musische und handwerkliche Element wird stärker gefördert. Freilich kann sich der geringere Leistungsdruck auch negativ auswirken - dann nämlich, wenn das Kind in den harten Berufsalltag kommt und nicht gewohnt ist, sich auf besondere Leistungsanforderungen einzustellen. Gewiss weisen sowohl staatliche als auch anthroposophische Schulsysteme jeweils spezifische Stärken und Schwächen auf. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass das, was die Waldorfeinrichtungen für viele Menschen so attraktiv macht, zum größten Teil nicht von Rudolf Steiner selber entwickelt, sondern aus anderen zu seiner Zeit im Raume stehenden pädagogischen Konzeptionen übernommen wurde. Die oben erwähnte "Orientierungshilfe" der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche nennt folgende "pädagogische Anleihen in Steiners System":

  • Die 'Ganzheitsschule' (Hugo Gaudig) möchte den jungen Menschen in seiner Ganzheit von Leib, Seele und Geist bilden. Der Schüler soll zu 'freier geistiger Selbsttätigkeit' kommen ...
  • Aus der 'Arbeitsschule' Georg Kerschensteiners wurde das handwerkliche Arbeiten in der Schule von Steiner weiterentwickelt. Auch der Epochenunterricht wurde aufgenommen ...
  • Aus der 'Lebensgemeinschaftsschule' (Peter Petersen) kommt der Gedanke der Schulelterngemeinde". Was Steiner in die Waldorfpädagogik eingebracht hat, sind vor allem das spezifisch anthroposophische Menschenbild und die Aufteilung des Unterrichts nach Sieben-Jahres-Rhythmen. Hier sei eindrücklich an die okkulten Elemente erinnert, die untrennbar mit der Anthroposophie - auch in Gestalt der Waldorfpädagogik - verbunden sind. Der Warnung der Nordelbischen Kirche in ihrer "Orientierungshilfe" kann ich mich nur anschließen: "Jedenfalls sollen evangelische Eltern sich darüber nicht täuschen lassen, dass der gesamte Waldorfunterricht auf fundamentalen Inhalten aufbaut, die mit den Inhalten, die einem biblisch orientierten Unterricht zugrunde liegen, nicht in Übereinstimmung zu bringen sind."

S. auch: Steiner, Rudolf; Anthroposophie; Eurythmie; Christengemeinschaft; Okkultismus; Astrologie; Biologisch-dynamischer Anbau; Weleda-Medizin.

Literraturhinweise

Lit. (kritisch): K. Prange, Erziehung zur Anthroposophie, 1985; C. Rudolph, Waldorf-Erziehung. Wege zur Versteinerung, 1987; L. Gassmann, Rudolf Steiner und die Anthroposophie, 2002.