Arnold, Gottfried
Francke, August Hermann, war einer der Väter des Pietismus.
Er ist besonders mit dem Ort Halle verbunden. Er lebte etwas später als Spener, von 1663-1727, wurde von diesem unterstützt, war Mitbegründer der Universität in Halle, der Francke'schen Anstalten (Gründung eines ins Riesige wachsenden Waisenhauses als Glaubenswerk), der Lutherischen Heidenmission und der Cansteinschen Bibelanstalt. Für die Pädagogik bedeutsam wurde seine Schrift:
- "Kurzer und einfältiger Unterricht, wie die Kinder zur wahren Gottseligkeit und christlichen Klugheit anzuführen sind".
Bekehrung durch Bußkampf:
Francke legte einen besonderen Schwerpunkt auf die Bekehrung. Er lehrte, dass dann, wenn der Mensch durch Gottes Wort angerührt wird, es zu einem Bußkampf kommt. Es geschieht unter Tränen ein Gnadendurchbruch. Der Weg führt vom alten Ich zum neuen, geistlichen Menschen. Dies kann in einem Augenblick geschehen, sich aber auch als länger andauernder Prozess entfalten. Die Vernunft soll dem Glauben untertänig sein. Die Zweifel verschwinden und das neue Wesen im Menschen kann freigesetzt werden. Franckes eigene Bekehrung ist hierzu Vorbild. Im Herbst 1687 wurde ihm bewusst, dass er trotz Taufe und zahlreicher philosophischer und theologischer Studien ein bloßes biblisches Kopfwissen, aber kein wirkliches geistliches Leben besaß.
Hatte noch Luther die Frage
... "Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?" ...
bewegt, so zweifelte Francke jetzt - echt neuzeitlich - an der Existenz Gottes überhaupt und stellte zugleich die religionsgeschichtliche Frage: Warum ist gerade der Gott des Christentums der wahre Gott?
Wie Francke zum lebendigen Glauben und zur Gewissheit des Heils gelangte, schildert er mit folgenden Worten:
- "Dieser Jammer presste mir viele Tränen aus den Augen, wozu ich sonst nicht geneigt bin. Bald saß ich an einem Ort und weinte, bald ging ich in großem Unmut hin und her, bald fiel ich nieder auf meine Knie und rief den an, den ich doch nicht kannte. Doch sagte ich, wenn ein Gott wahrhaftig wäre, so möchte er sich meiner erbarmen ... Da erhörte mich der HERR, der lebendige Gott, von seinem heiligen Thron, als ich noch auf meinen Knien lag. So groß war seine Vaterliebe, dass er mir nicht nach und nach solchen Zweifel und Unruhe des Herzens wieder wegnehmen wollte ... wie man eine Hand umwendet, so war all mein Zweifel hinweg ... hingegen wurde ich wie mit einem Strom der Freude plötzlich überschüttet ... Als ich mich niederlegte, glaubte ich nicht, dass ein Gott wäre; als ich aufstand, hätte ich es wohl ohne Furcht und Zweifel mit der Vergießung meines Bluts bekräftigt."
Erziehung zur Gottesfurcht:
Welches sind Franckes Erziehungsprinzipien, die er etwa in seinen Waisenhäusern und Schulen selbst anwandte? Jede Erziehung (nicht nur der Kinder, sondern auch der Erwachsenen) hat die Ehre Gottes zum Ziel. Die wahre Gemütspflege hat Einfluss auf Willen und Verstand. Es geht darum, den gottfeindlichen Eigenwillen zerbrechen zu lassen, indem wir uns Gott und seiner Liebe unterwerfen und ihm gehorsam werden aus Liebe und Dankbarkeit. Die wahre Gottseligkeit wird am besten eingeflößt durch das Lebensbeispiel von Eltern und Lehrern.
Francke definierte folgenden Unterschied zwischen Tugenden und Lastern:
Zu den Tugenden gehören Liebe zur Wahrheit sowie Gehorsam gegenüber den Eltern und Lehrern, soweit ihr Handeln nicht im Widerspruch zu Gottes Wort steht. Auch Fleiß ist eine Tugend. Laster sind z.B. Lüge, Eigenwille und Müßiggang (Faulheit). Grundprinzip aller christlichen Erziehung ist die Erziehung zur christlichen Klugheit und Weisheit im Sinne der Sprüche Salomos:
- "Aller Weisheit Anfang ist die Furcht des Herrn."
Göttliche Klugheit und Weisheit stützen sich also auf Gottesfurcht, wie sie in der Heiligen Schrift gelehrt wird, und nicht auf die vielen und einander widersprechenden philosophischen Systeme. Wenn diese nämlich ohne Gottesfurcht sind, ist alles, was sie lehren, unnütz und leer. Man soll statt dessen die Furcht Gottes ernst nehmen und Gott das zurückgeben, was er uns an Gaben geschenkt hat - zu Seiner Ehre und Verherrlichung.
Das heißt: Der Verstand muss durch den Glauben und durch die Einfältigkeit Christi geheiligt werden. Mit unbekehrtem Verstand werden wir immer auf Irrwege geraten, auch im Bibelverständnis und in der Dogmatik. Francke führte die "Realien" in den Unterricht ein, wie wir sie ja heute noch an den Realschulen finden: Die praktischen Dinge des Lebens wie Handwerkliches und Musisches sollten ihren Platz im Unterricht haben. Francke legte Wert auf eine strenge Beaufsichtigung und das Verbot falscher Fröhlichkeit, aber es stimmt nicht, dass es ein "Verbot aller Fröhlichkeit und alles Spielens" gegeben habe, wie Kritiker unterstellen. Es ist hingegen eine schlimme endzeitliche Entwicklung, dass heute weithin jede gesunde Zucht und Ordnung in der Erziehung fehlt und das Verwahrlosen der Schüler immer mehr toleriert wird.
Franckes Pietismus bewegte sich insgesamt in disziplinierten und nüchternen Bahnen ohne mystischen Überschwang und Schwärmerei. Er geriet dadurch in Gegensatz zu etlichen Vertretern des Pietismus, die diese Zurückhaltung nicht wahrten. Leider fiel sein Werk, insbesondere die Universität, später zeitweise der Aufklärung anheim.
Literaturhinweise
E. Beyreuther, August Hermann Francke, 1987; L. Gassmann, Pietismus - wohin?, 2003
Einzelhinweise und Quellen
Originärer Autor: Lothar Gassmann
Ursprungsquelle dieses Artikels: https://www.bibel-glaube.de/handbuch_orientierung/Francke_August_Hermann.html (Abgerufen am 03. 12. 2024 16:43)
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