Lessing-Impuls

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Als Rudolf Steiner "etwa fünfzehn Jahre" alt ist, tritt er in ein näheres Verhältnis zu dem Arzt Carl Hickel aus Wiener-Neustadt, der ihn reichlich mit verschiedenen Büchern versorgt. "Ich lernte in der Atmosphäre des liebevollen, für alles Schöne begeisterten Arztes besonders Lessing kennen", betont Steiner (636, 32). Diese frühe Begegnung mit dem Werk Gotthold Ephraim Lessings hinterläßt bei Steiner einen tiefen Eindruck. Wahrscheinlich wird er durch ihn zum ersten Mal mit der Vorstellung von der >Reinkarnation, den "wiederholten Erdenleben" konfrontiert - und zwar in ihrer abendländisch-optimistischen Deutung im Gegensatz zum buddhistischen Pessimismus (das "Rad des Immer-Wieder-Verkörpert-Werden-Müssens" ist dort ein Fluch!). Auch andere Impulse hat er von Lessing aufgenommen. So kann er ihn 24 Jahre später in seinem monumentalen Werk "Die Rätsel der Philosophie" sogar als "Propheten" bezeichnen:

"Den Lebenstrieb des Gedankens im Selbstbewußtsein zu erfühlen, und ihn so zu erleben, daß sich durch ihn der Mensch in eine geistig-reale Welt sicher hineingestellt fühlt, vermochten die Denker des achtzehnten Jahrhunderts noch nicht. Lessing steht unter ihnen wie ein Prophet, indem er die Kraft des selbstbewußten Ich so empfindet, daß er der Seele den Durchgang durch wiederholte Erdenleben zuschreibt" (610/611, 129).

In seinem Werk "Die Erziehung des Menschengeschlechts" hatte Lessing die Reinkarnationslehre mit der Notwendigkeit des Menschen, die Vollkommenheit zu erreichen und hierfür immer mehr dazuzulernen, begründet:

"Aber warum könnte jeder einzelne Mensch auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt vorhanden gewesen sein? ... Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin?" (Lessing 1985, 30f.).

Weitere Lehren, die Lessing vertrat und die im Werk Steiners wieder begegnen, sind die Ablehnung religiöser Offenbarungswahrheiten (z.B. in Form eines "dogmatischen Christentums") zugunsten selbsterrungener Vernunftwahrheiten und - eng damit verbunden - die Ablehnung der Möglichkeit, eine absolute Wahrheit (z.B. im Christentum) zu erkennen (vgl. die bekannte Ringparabel in Lessings "Nathan der Weise").

An diese Lessingschen Gedanken, die Steiner rezipiert, sind aus christlich-biblischer Sicht kritische Anfragen zu stellen. Zur Reinkarnationslehre ist zu sagen, daß diese in der Bibel nirgends eine Bestätigung findet, sondern - selbst da, wo sie in Fragen der Jünger möglicherweise anklingt - von Gott und seinem Sohn Jesus Christus abgelehnt wird (vgl. Joh 3,4f.; 9,2f. u.a.). Folgende Bibelstellen sprechen sehr deutlich gegen die Reinkarnation: 2. Sam 12,23; 14,14; Ps 78,39; Lk 23,39-43; Apg 17,31; 2. Kor 5,1.4.8; 6,2; Gal 2,16; 3,10-13; Eph 2,8f.; Phil 1,23; Hebr 10,12-14; Offb 20,11-15. In Hebr 9,27f. werden die Einmaligkeit des Sterbens des Menschen und die Einmaligkeit des Kreuzestodes Jesu Christi parallel gesetzt: "Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen." Die Lehre von der Wiederverkörperung entspricht der satanischen Lüge der Schlange "Ihr werdet keineswegs des Todes sterben" (1. Mo 3,4). Sie soll dem Menschen eine falsche Sicherheit vortäuschen, der das Gebot Gottes übertritt, von der Frucht - und zwar der Frucht der "Erkenntnisse höherer (übersinnlicher) Welten"! - zu essen. Weil sich der Mensch durch das Übertreten dieses Gebots von Gott trennt und an seine eigene Höherentwicklung im Verlauf vieler Verkörperungen glaubt, verpaßt er die Chance, hier und jetzt zu Jesus Christus als seinem einzigen Erlöser und Herrn umzukehren, der ihm die Schuld seiner Lossagung von Gott vergeben möchte. Er geht ewig verloren. Der Sekten-Experte Mark Albrecht hat deshalb die Reinkarnations-Vorstellung in einem Buch treffend als "tödliche Lehre" bezeichnet - egal, ob sie im >Hinduismus, im >Buddhismus oder in ihrer westlich-optimistischen Form bei Lessing, Steiner und "Sterbeforschern" wie Elisabeth Kübler-Ross begegnet (Albrecht 1988). S. ausführlicher: >Reinkarnation.

Die Ablehnung eines "dogmatischen Christentums" ist für Lessing und Steiner nur konsequent, da sie ja durch eigenes Erkenntnisstreben im Laufe der Verkörperungen in die letzten Geheimnisse dieser Welt eindringen wollen. Wie gezeigt, ist dies aber eine tödliche Illusion. Nach biblischer Aussage kommt der Mensch um eine Glaubensentscheidung für oder gegen den sich souverän offenbarenden Gott in diesem einmaligen irdischen Leben nicht herum. "Wählt euch heute, wem ihr dienen wollt! ... Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen", ruft Josua dem Volk Israel zu (Jos 24,15). Die Glaubensentscheidung übersteigt zwar die menschliche natürliche Vernunft, kann aber von einer durch den Geist Gottes erleuchteten Vernunft durchaus bewußt und intellektuell redlich vollzogen werden. Und diese Glaubensentscheidung bezieht sich im Neuen Bund auf Jesus Christus, Gottes Sohn, in welchem sich der Schöpfer der Welt in einzigartiger und heilbringender Weise geoffenbart hat. Im Blick auf den für uns gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus wird in der Heiligen Schrift gesagt:

"Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist`s eine Gotteskraft. Denn es steht geschrieben: Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen ... Denn die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker, als die Menschen sind ... Jesus Christus ist uns von Gott gemacht zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung" (1. Kor 1,18f.25.30).

Literaturhinweise

L. Gassmann; Anthroposophie-Lexikon; Folgen Verlag; (Mai 20171)

Einzelhinweise und Quellen

Anmerkungen


Quellenangaben



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