Jungfrauengeburt
Begriff:
Der Begriff Jungfrauengeburt (J.) taucht in der Bibel nicht auf, sehr wohl aber die damit bezeichnete Tatsache. Dieser moderne Begriff drückt aus, dass es zur menschlichen Geburt ohne Zeugung durch einen menschlichen Vater kommt. In der Bibel ist damit bezeichnet, wie der präexistente Gottessohn, der von Uranfang beim Vater war und seines Wesens ist, Mensch wird und in die Welt kommt. J. meint die jungfräuliche Empfängnis Jesu im Leib der Maria ohne das Dazutun eines Mannes durch den Heiligen Geist. J. bringt zum Ausdruck, Jesus ist nicht einfach ein Mensch; er ist mehr als ein Mensch und damit auch mehr als ein Prophet, ohne damit aufzugeben, Jesus ist genauso ganz menschlicher wie göttlicher Natur. Er ist der präexistente Sohn Gottes, das fleischgewordene Wort Gottes (vgl. Joh 1,1 ff. 14; 8,58; Kol 1,16 f.; Hebr. 1,2).
Exegetischer Befund:
Nach dem exegetischen Befund gibt es die eine Geburt aus einer Jungfrau: die Geburt Jesu. Vorausgesagt ist diese bereits im Alten Testament durch Jesaja 7,14 (vgl. auch Jes 9,5 f.; Ps 2,7). Zwar könnte das hebräische Wort alma in Jesaja 7,14 sowohl "Jungfrau" als auch "junge Frau" bedeuten, da das hebräische Wort alma ganz allgemein die junge Frau bezeichnet, die noch kein Kind hat. Doch bereits die Septuaginta benutzt das eindeutige griechische Wort parthenos (Jungfrau), und der Zusammenhang legt nahe, dass in Jesaja 7,14 mit „Jungfrau“ zu übersetzen ist. Das prophetische Wort kündigt ein großes Wunder an. Der verheißene Sohn soll nach demselben Zusammenhang der Messias sein (vgl. auch Jes 9,5 f.). Im Matthäusevangelium ist das erste der elf Reflexionszitate Jesaja 7,14 und wird hier ganz eindeutig als Jungfrau verstanden in bewusstem Rückgriff auf die Septuaginta. In Lukas 1,27 wird Maria direkt als Jungfrau bezeichnet. Sie "weiß" "von keinem Mann" (Lk 1,34). "Der heilige Geist wird über" sie "kommen, und die Kraft des Höchsten wird" sie "überschatten" und "das Heilige, das geboren wird", wird "Gottes Sohn genannt werden" (Lk 1,35). Das erfährt Maria vom Engel Gabriel (Lk 1,26 ff.). Auffallend ist, dass alle Redewendungen aus dem geschlechtlichen Bereich vermieden sind. Vielmehr ist die Empfängnis Jesu Gottes Einwohnung durch den heiligen Geist sowohl im Matthäus- als auch im Lukasevangelium knapp und nüchtern berichtet, ohne Ausmalungen, was Zuverlässigkeit anzeigt. Es wird damit deutlich: diese Empfängnis ist ein Geheimnis. Auf Zuverlässigkeit deutet auch die zweifache, jeweils unabhängige Überlieferung hin, bei Matthäus und Lukas. Während Matthäus vor allem Josef beleuchtet, beschreibt Lukas vor allem die Vorgänge bei Maria (Matthäus überliefert die Erscheinung des Engels bei Josef, Lukas die des Erzengels Gabriel bei Maria). Während Matthäus verdeutlicht, dass Hoffnung auf Rettung des alttestamentlichen Bundesvolkes aus dem Stamm Davids erfüllt ist (Mt 1,22 f.), stellt Lukas die Geburt Jesu in einen weltgeschichtlichen Rahmen hinein (Lk 2,1). Josef ist nicht der Vater Jesu. Das belegen seine Reaktion und Absicht. Er will Maria heimlich verlassen (Mt 1,19), weil er annimmt, ein anderer sei der Vater des Kindes, mit dem Maria schwanger ist. "Der Engel des Herrn" der ihm "im Traum" erscheint (Mt 1,20) muss ihn überzeugen, dass das Kind, mit dem Maria schwanger ist, "von dem heiligen Geist" "ist" (Mt 1,20; vgl. auch V. 18). Bis zur Geburt berührt Josef Maria nicht (Mt 1,25). Nach der Überlieferung bei Lukas ist Maria zu dieser Zeit Jungfrau (Lk 1,27.35). Durch die Namengebung erkennt Josef die Vaterschaft nach dem gültigen jüdischen - menschlichen - Recht an (vgl. 1. Mose 21,3). Jesus wird später auch für einen Sohn des Josefs gehalten (Lk 3,23); schließlich liegt über seiner Empfängnis ein göttliches Geheimnis. Im Matthäusevangelium wird Josef nicht als Vater Jesu bezeichnet (Mt 1,16). Dabei will die jungfräuliche Empfängnis Jesu in Maria keineswegs die eheliche Gemeinschaft herabsetzen. Nicht um Maria geht es in erster Linie, sondern um Jesus. Der Geburtsvorgang selbst ist nicht mirakulös geschildert; alles was nach Doketismus aussehen könnte, fehlt ihm. Mit Jesus wird kein Halbgott, wie diese die Antike durchaus kennt, geboren, sondern hier geht der wahre Gott und Mensch in diese Welt ein. Wie Gott in 1. Mose 1,2 durch einen einzigartigen schöpferischen Akt die Welt ins Dasein ruft, so ist auch die Entstehung Jesu ein einmaliger, einzigartiger Akt Gottes, dem bereits durch seine Empfängnis Ausdruck verliehen wird. Die Gottessohnschaft Jesu ist in direktem Zusammenhang der J. zu sehen (Lk 1,35; vgl. auch V. 32), was widerlegt, die J. sei für Christologie, Glaube und Bekenntnis nicht notwendig bzw. belanglos und widerspreche dem Präexistenzgedanken (so W. Pannenberg). Die im Neuen Testament gut bezeugte Präexistenz Jesu, bevor er Mensch wurde (Joh 1,1-18; Phil 2,6-11; Kol 1,16; Hebr 2,7) widerspricht dem Gedanken der J. nicht, da sie die Weise bezeichnet, wie der Präexistente ins Dasein in dieser Welt tritt.
Kirchen- und dogmengeschichtliche Entwicklung
Die J. Jesu, die in die altkirchlichen Symbole eingeht, ist sei dem 2. Jahrhundert in der frühen Kirche ein bekannter und bedeutender Glaubensgegenstand. Ignatius von Antiochien (+110) erwähnt J. als eines der "Geheimnisse, die im Schweigen Gottes geschehen und doch im Zeugnis laut vernehmbar sind". Zu diesen Geheimnissen zählt Ignatius Empfängnis, Geburt und Tod Jesu. Justin der Märtyrer (100-165) legt Wert darauf, dass die Weissagung in Erfüllung gegangen ist. Die in heidnischen Mythen erwähnte göttliche Geburt stellt für Justin die vom Satan eingegebene Entstellung der wahren, in den Evangelien berichteten Geschichte dar. Für Irenäus von Lyon (+ nach 190) steht die J. im Zeichen der recapitulatio. Maria hebt als gehorsame Jungfrau die Folgen der ungehorsamen Eva auf. Der neue Adam wird aus einer Jungfrau geboren, so wie der erste Adam von der Jungfrau Erde kam. Aus dem 2. Jahrhundert stammt auch die Überlieferung der schmerzfreien Geburt (Asc Jes; Oden Salomos). Damit verbunden ist die Jungfräulichkeit Marias während der Geburt Jesu, erstmalig belegt im apokryphen Protevangelium des Jakobus (19,9-20,1) (2. Jahrhundert). Zwar entsteht die Vorstellung der fortwährenden Jungfräulichkeit Marias in der östlichen Christenheit, doch hat sich am Ende der Zeit der Kirchenväter die dreifache Bestimmung der Jungfräulichkeit Marias, der zufolge sie vor, während und nach der Geburt Jesu Jungfrau gewesen sei, in Ost und West durchgesetzt und werden dem widersprechende Ansichten abgelehnt. Die Geschwister Jesu (vgl. Mk 3,31 f.; Joh 7, 5) stammten dann aus einer früheren Ehe Josefs, wären also, da Josef als der Vater Jesu betrachtet wird, dessen Halbbrüder und -schwestern. Luther und andere "frühprotestantische" Theologen haben, im Gegensatz zum späteren Durchschnittsprotestantismus allem Anschein nach an dieser Auffassung festgehalten; zumindest waren sie von der fortwährenden Jungfräulichkeit Marias überzeugt wie die offizielle Lehre der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche. Dabei wiegt schwer, dass in den lutherischen Bekenntnisschriften – über die Heilige Schrift hinausgehend! - zweimal die Auffassung vertreten wird, Maria sei immerwährende Jungfrau geblieben (Schmalkaldische Artikel I,4, lat. "semper virgo"; Formula Concordiae, SD VIII, BSLK S. 1024), so dass es sich von dieser Interpretation her verbieten würde, diese Ansicht als katholischen Legendenglauben abzutun, da es durch Aufnahme in die geltenden Bekenntnisse zum unabänderlichen Lehrbestand der betreffenden Kirche zählt, auf die die Ordination erfolgt. Da der Ausschluss der Zeugung Jesu durch einen Mann allein noch nicht die Sündlosigkeit Jesu sichert, weil er durch Maria Anteil an der adamitischen, sündigen Menschheit hätte und deshalb auch von der Erbsünde erfasst wäre, entwickelt die römisch-katholische Kirche das Dogma von der "unbefleckten Empfängnis Marias". Demnach wäre Maria von ihrer Zeugung an durch göttlichen Gnadenakt davon frei geblieben. Nach der antiochenischen Theologie wird durch die Jungfrauengeburt angezeigt, dass Jesus göttlich ist, ohne zu gefährden, dass er Mensch war; die göttliche Hypostase vereint sich mit der menschlichen Natur. Bis zum Aufkommen historisch-kritischer Forschung gibt es, von einigen judenchristlichen Gruppen und vereinzelt aus dem nichtchristlichen Umfeld abgesehen, keine Bestreitung der J. aus Theologie und Kirche. Neben Luther erkennt sie auch der andere Hauptreformator, Calvin, fraglos an. Luther schreibt in seinem Bekenntnis von 1528 davon, er glaube und wisse, Jesus sei "von dem heiligen Geist ohn Mannes Zutun empfangen und von der reinen heiligen Jungfrau Maria als von rechter natürlicher Mutter geboren, wie das alles S. Lukas so klärlich beschreibt und auch die Propheten verkündigt haben." Erst seit gut 200 Jahren wankt durch Aufklärung und Rationalismus diese allgemeine christliche Auffassung und wird mit sich wiederholenden Argumenten bestritten. Deshalb ist die Einstellung zu ihr in der neueren Theologie- und Kirchengeschichte ambivalent. Während Karl Barth sie als einen Erweis des Gnadenhandelns Gottes wertet, als "Zeichen der Fleischwerdung des Wortes, auf dass ihr wisset, dass wir es hier mit der freien Gnade zu tun haben" (Credo, S. 65), und ihr in seiner Dogmatik Gewicht beimisst, lehnen andere Theologen sie ab, so etwa Paul Althaus ("Das Bekenntnis von der Jungfrauengeburt lässt sich dogmatisch nicht als ein notwendiges und unveräußerliches Stück des Bekenntnisses zu Jesus Christus erweisen", RGG, 3. Aufl., Bd. 3, Sp. 1069), Willi Marxsen (J. wolle keinen biologischen Sachverhalt ausdrücken) und auch Wolfhart Pannenberg (J. widerspreche der Präexistenz). Selbst für immer mehr römisch-katholische Theologen hat J. keine Beweiskraft mehr und besteht auch bei ihnen keine Einheit mehr darüber, ob J. möglich und / oder nötig ist und im herkömmlichen Sinne festzuhalten sei.
Bestreitung der Jungfrauengeburt und Entgegnung
Möglicherweise wurde im Judentum die J. Jesu auf diese Weise bestritten, dass von der jüdischen Apologetik behauptet wurde, Jesu Geburt sei auf ein außereheliches Verhältnis mit einem Legionär zurückzuführen (vgl. Babylonischer Talmud Schabbat XIV,4; Tosefta Chullin II,22-24). Ebenfalls könnte es sein, dass der von Gegnern Jesu vorgebrachte Vorwurf seiner vaterlosen Geburt, der in Johannes 8,1 mitgeteilt ist, auf Gerüchte, die im Umlauf waren, zurückgeht, die auf eine uneheliche Geburt Jesu hinweisen könnten. Das alles bleibt jedoch ungesichert. Besser nachweisbar ist, dass der heidnische Christengegner Celsus behauptet, Panthera sei der uneheliche Vater Christi gewesen (vgl. Origenes, Contra Celsum I, 32-37). In der Kirche selbst bleibt die Anerkennung der J. bis zum Aufkommen historisch-kritischer Forschung unbestritten, von einzelnen Strömungen judenchristlicher Ausrichtung am Rand der Kirche einmal abgesehen.
Der Hinweis, bis zum 19. Jahrhundert habe die christliche Theologie nicht um die Zweideutigkeit des hebräischen Begriffs alma gewusst und deshalb mit "Jungfrau" übersetzt, was auch einfach "junge Frau" heißen könne und was den Sinn besser träfe (so Rowan Williams, EKL, 3. Aufl., Bd. 2, Sp. 907), ist exegetisch unhaltbar. Exegetisch ist nur das Verständnis "Jungfrau" möglich (s. o., Exegetischer Befund). Das natus ex virgine, das seinen Grund allein in Matthäus 1 und Lukas 1 habe, und mit deren historischer Glaubwürdigkeit stehe und falle, welche nicht gegeben sei (Paul Althaus, RGG, 3. Aufl., Bd. 3, Sp. 1069), kann historisch von seriöser Forschung nicht bestritten werden, andernfalls wird unter ideologischer Voraussetzung gearbeitet, wobei selbst kritische Theologen feststellen: "Die kritische Forschung kann selbst nicht endgültig über die Frage der Historizität entscheiden" (Rowan Williams, EKL, 3. Aufl., Bd. 2, Sp. 909). Lukas gibt als seinen Selbstanspruch ausdrücklich an, historisch genau zu arbeiten (Lk 1,1-4). Die wunderbare Geburt Jesu ist Jahrhunderte vorher von Propheten angekündigt worden. Zwar wird die J. "nur" zwei Mal im Neuen Testament bezeugt, was aber keinesfalls eine schlechte Bezeugung ist, doch spricht auch keine andere neutestamentliche Stelle direkt dagegen. Galater 4,4, was von manchen kritischen Theologen dagegen angeführt wird, dürfte die J. eher bestätigen als infrage stellen. Auch hinter Offenbarung 12,1 ff. dürfte die jungfräuliche Geburt Jesu stehen.
Angeführte religionsgeschichtliche "Parallelen" zur J. aus der Umwelt des Neuen Testaments (z. B. glaubte man von ägyptischen und babylonischen Herrschern oder auch von Alexander dem Großen, sie seien Göttersöhne; auch kennen die griechischen Sagen Halbgötter) sind keineswegs als ein Hinderungsgrund für das im Neuen Testament geschilderte analogielose Geschehen anzusehen. Es besteht ein unübersehbarer Unterschied zu den sog. religionsgeschichtlichen "Parallelen". Der biblische Bericht ist zurückhaltend und nüchtern und beschreibt deshalb im Unterschied zu jenen nicht den Vorgang der Empfängnis. So ist die J. tatsächlich ohne jegliche biblische oder gar religionsgeschichtliche Analogie oder Parallele. Vergleichbar mit der jungfräulichen Empfängnis ist lediglich der alttestamentliche Gedanke der "Schechinah" (Einwohnung) Jahwes z. B. in der Stiftshütte, wobei das Neue Testament doch über diese alttestamentliche Vorstellung hinausgeht.
Die Auffassung, die Berichte Matthäus 1,18 ff. und Lukas 1,26 ff. seien späte Produkte der Gemeinde und nicht wörtlich zu verstehen, weil sie keinen geschichtlichen Wert besäßen, widerspricht der Bibel (so richtig Gerhard Maier, in: Biblisches Wörterbuch, Art. Jungfrauengeburt, S. 216). Auf die Lehre von der J. kann nicht verzichtet werden, weil die Gottessohnschaft in ursächlichem Zusammenhang damit gesehen wird. Die Vorstellung der Gottessohnschaft Jesu lässt sich keineswegs aus vermeintlichen religionsgeschichtlichen Parallelen ableiten, wonach die Bezeichnung "Sohn Gottes" im Neuen Testament nur Ehrentitel wäre und deshalb nicht wörtlich zu nehmen. Nach neutestamentlicher Lehre, gerade auch nach der des Hebräerbriefes, ist Jesus Gottes Sohn (Hebr 3,6). Höher als die Engel (Hebr 1,5 ff.), hat er erst nachträglich Fleisch und Blut angenommen (Hebr 2,14.17). Der Präexistenzgedanke widerspricht keineswegs der J., sondern spricht eher für sie; sie bezeichnet die Weise, wie der von Ewigkeit beim Vater seiende präexistente Sohn Fleisch (freilich kein Sündenfleisch) annimmt, Mensch wird und in die Welt kommt (gegen Wolfhart Pannenberg).
Das Neue Testament ist nicht nur am "Dass" des in die Weltkommens des Gottessohnes interessiert, sondern, wie Matthäus 1 und Lukas 1 berichten, auch am "Wie". Werden diese Berichte ignoriert, muss eine andere Erklärung für das "Wie" gefunden werden. Doch alle Hypothesen endeten darin, dass sich die Menschheit in ihrem edelsten Spross und sei's durch Gottes Gnade, den Erlöser selbst gab. Das aber steht gegen das unwiderlegbare Zeugnis der Heiligen Schrift, dass Gott in Jesus Mensch wurde (so richtig Ulrich Betz, in ELThG, Bd. 2, Art. Jungfrauengeburt, S. 1025). Solche Versuche endeten letztlich in einem von der Kirche aus gutem Grunde verworfenen Adoptianismus oder Arianismus, die beide die ewige Präexistenz und das "wahrer Gott und wahrer Mensch" Jesu negieren. Von daher sind Aussagen wie "dogmatisch" lasse "sich" "das Bekenntnis von der Jungfrauengeburt ... nicht als ein notwendiges und unerlässliches Stück des Bekenntnisses zu Jesus Christus erweisen" (Paul Althaus, RGG, 3. Aufl., Bd. 3, Sp. 1069) unhaltbar, weil sie weder der Heiligen Schrift noch der Dogmenbildung der Kirche, den Entscheidungen der ökumenischen Konzilien und der Entscheidung der Reformation gerecht werden. Sie sind deshalb zurückzuweisen. Man mag der Situationsbeschreibung im Evangelischen Erwachsenenkatechismus zustimmen:
"Heutige Christen, die das christliche Glaubensbekenntnis nachsprechen, haben es mit diesen Aussagen [empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, W. R.] besonders schwer. Eine übernatürliche Empfängnis und eine Jungfrauengeburt passen schlecht in unser Weltbild. Auch die gegenwärtige Theologie hat Schwierigkeiten." (Evangelischer Erwachsenenkatechismus, 4. überarbeitete Aufl. 1982 (19751), S. 389)
Zu bemängeln bleibt jedoch, dass es im Evangelischen Erwachsenenkatechismus bei dieser Beschreibung bleibt und nicht herausgestellt wird, was eindeutiger Befund von Schrift und Bekenntnis ist. Die Argumentation mit dem Weltbild überzeugt im übrigen nicht, denn Weltbilder veralten schnell, kommen und gehen, aber das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit.
Bedeutung der Jungfrauengeburt und Folgen ihrer Ablehnung
Die Ansicht, die J. Jesu sei bedeutungslos für Lehre und Glauben, scheitert nicht allein am exegetischen Befund und hat Bekenntnisse und die übrige Lehrentscheidung und Lehrentwicklung gegen sich, sondern greift einen Eckpunkt von Glaube und Lehre an. Gerade die J. Jesu und seine übernatürliche Empfängnis bringen zum Ausdruck, dass in Jesus zwei Naturen unvermischt und ungeschieden vorhanden sind und der ewig präexistente, dem Vater wesensgleiche Sohn - und damit Gott selbst - in diese Welt eingeht. Für den christlichen Glauben kommt alles auf die zwei Naturen in Christus an, dass er ganz und wahrhaftig Gott ist und zugleich ganz und wahrhaftig Mensch war. Nur so kann er den Sünder retten. Denn ihm hilft nur einer, der sowohl auf die Seite Gottes und auf die Seite des Menschen gehört. Wäre Jesus nur Mensch, er könnte den Menschen nicht retten, weil ein Mensch einen anderen nicht aus dem Sündentod erlösen kann. Wäre er nur Gott, er wäre unnahbar für den Menschen geblieben und hätte nicht für die Sünden der Menschen sterben können. Jesus ist während seiner ganzen Zeit der Inkarnation wahrer Mensch und wahrer Gott geblieben und das, weil er, wunderbar "empfangen durch den Heiligen Geist", zugleich auch wahrer Gott ist.
Glaube heißt in erster Linie Vertrauen zu Jesus. Bei dieser Haltung besteht kein Grund dafür, der Ratio nicht einsichtige Berichte einfach zurückzuweisen, also auch nicht die von der Empfängnis Marias durch den Heiligen Geist und von der J. Es wird auch der Glaube an den allmächtigen Gott, den Vater bekannt. "Bei Gott ist kein Ding unmöglich" (Lk 1,37). Und demnach auch nicht, neben vielen anderen Wundern, das Wunder der Empfängnis durch den Heiligen Geist und die Geburt aus der Jungfrau Maria als ewig einmaliges und damit analogieloses Ereignis. Wer mit der Begründung, sich das Wunder der J. nicht vorstellen zu können, dieses ablehnt, der muss ehrlicherweise noch so manches dessen, was in der Bibel steht, ablehnen, bestimmt doch das größte Wunder von dem sie spricht, die Auferweckung Jesu; und nicht so wenige tun das. Wer jedoch solche Eckdaten von Glaube und Lehre ablehnt, muss sich freilich fragen lassen, ob er noch Christ ist.
Siehe auch: Jesus Christus; Erlösung; Zweinaturenlehre.
Literaturhinweise
Kleines Theologie-Handbuch in 2 Bänden ,MABO PROMOTION 20081
K. Barth, Credo, 1935. 7. Aufl. 1948;
K. Barth, Kirchliche Dogmatik, Bd. 1 / 2, 5. Aufl. 1960, S. 187 ff.; BSLK: Confessio Augustana Art. 3
Schmalkaldische Artikel I,4; Formula Concordiae SD VIII
H. v. Campenhausen, Die Jungfrauengeburt in der Theologie der Alten Kirche
G. Delling, ThWNT, Bd. 5, 1954, Art. Parthenos, S. 824-835
H. Denzinger / A. Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum, 1976, Nr. 502, 503, 533, 1880, 2800
W. Künneth, Fundamente des Glaubens. Biblische Lehre im Horizont des Zeitgeistes, 1975, 112 ff.
O. Rodenberg, Der Sohn. Beiträge zum theologischen Gespräch der Gegenwart, 2. Aufl. 1970, 9 ff
Einzelhinweise und Quellen
Anmerkungen
Quellenangaben
Orginärer Autor: Walter Rominger