Allversöhnung
Die Allversöhnungslehre, auch apokatastasis panton (Wiederherstellung aller Dinge) genannt, besagt, dass alle Menschen, und zwar auch die im Weltgericht verdammten, schließlich bei Gott sein werden. Die Strafe der Hölle sei nicht ewig, sondern auf bestimmte Zeiträume (Äonen) begrenzt. Ein Teil der Vertreter der Allversöhnungslehre nimmt sogar an, dass auch der Teufel und die Dämonen nach einer langen Zeit der Strafe Buße täten und von Gott wieder angenommen würden. Diese Lehre geht auf Origines (185-254 n.Chr.) zurück. Gedankengänge dieser Lehre finden sich jedoch teilweise bereits in früheren religiös-philosophischen Systemen (Parsismus, Theosophie, Gnosis u.ä.). In manchen Kreisen des Pietismus wurde diese Lehre wieder aufgegriffen (Philipp Matthäus Hahn, Friedrich Christoph Oetinger, Johann Michael Hahn u.a.). Sie findet auch in der Gegenwart in christl. Kreisen Anerkennung und Verbreitung.
Die Vertreter der Allversöhnungslehre begründen ihre Auffassung vielfach mit persönlichen Inspirationen und Erleuchtungen durch Gott, aber auch mit Bibelstellen. Als solche werden etwa angeführt: Apg 3,21; 1. Tim 2,4; Eph 1,9-11; Kol 1,20; Phil 2,10-11; 1. Kor 15,28; 2. Kor 5,19; 1. Petr 3,18-20; 4,6. Aus diesen Stellen wird gefolgert, dass Gott die gesamte Schöpfung mit sich versöhnen wolle und dass er diesen Willen aufgrund seiner Allmacht schließlich auch durchsetze. Schließlich wird aus dem Wesen Gottes, der vor allem Liebe und Barmherzigkeit sei, die Unvereinbarkeit der Vollstreckung ewiger Höllenstrafen gefolgert (Hölle). Auch sei es ungerecht, zeitliche Sünden mit ewiger Verdammnis zu bestrafen. Manche Allversöhner begründen ihre Auffassung auch damit, dass Gott im Laufe der Heilsgeschichte barmherziger geworden sei und an den in der Bibel angedrohten ewigen Strafen nicht mehr festhalte.
Eine biblische Betrachtung dieser Lehre muss jedoch zu folgender Bewertung gelangen:
- Die Allversöhnungslehre ist mit zahlreichen Bibelstellen nicht zu vereinbaren, die eindeutig nicht nur von einer ewigen Seligkeit der Erretteten bei Gott sprechen, sondern auch von einer ewigen Verdammnis der im Weltgericht Verurteilten (vergl. z.B. Mt 3,12; 25,41; Mk 9,43 ff., Jud 7 [ewiges Feuer]; Mt 25,46 [ewige Pein]; Hebr 6,2 [ewiges Gericht]; 2. Thess 1,9 [ewiges Verderben]). Schon Daniel sagt in Dan 12,2 über die Auferstehung, dass die einen zum ewigen Leben aufwachen werden, die anderen aber zu ewiger Schmach und Schande. Es ist nun bereits sprachlich ausgeschlossen, dass „ewig“ im Zusammenhang mit der Seligkeit tatsächlich „ewig“ im Sinne von ”endlos” bedeuten soll, im Zusammenhang mit der Verdammnis dagegen nur einen sehr langen Zeitraum. „Wenn die Spreu verbrannt wird mit ewigem Feuer (Mt 3,12), wenn er (Jesus Christus; Th.Z.) feierlich dreimal bezeugt, daß der Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht verlischt bei den Gottlosen (Mk 9,43 ff.) (heißt das et-wa: so lange, bis es der kluge Menschenverstand ausbläst?), ist da unsere Vernunft wirklich berechtigt, ein Fragezeichen neben solche Stellen zu machen?“ (Heinrich Coerper). Nicht zuletzt spricht auch Mt 12,31 f. entscheidend gegen die Allversöhnungslehre, wenn es dort heißt, dass die Sünde wider den Heiligen Geist niemals vergeben wird, weder in dieser noch in jener Welt. Denn dies bedeutet, dass diese Sünde (es handelt sich dabei um die Sünde der Pharisäer, die das Wirken Jesu bewusst und gegen das Zeugnis des Heiligen Geistes als Wirken Satans ausgaben) unter keinerlei Umständen bei Gott Vergebung findet, sodass eine Versöhnung des Menschen, der sie begangen hat, mit Gott und damit auch seine Errettung für Zeit und Ewigkeit ausgeschlossen ist.
- Aus keiner der für die Allversöhnungslehre angeführten Bibelstellen lässt sich demgegenüber etwas für diese Lehre entnehmen: Apg 3,21, in der der Begriff ”apokatastasis panton” vorkommt, besagt nur, dass die Verheißungen Gottes ihre volle Erfüllung finden werden. - 1. Kor 15,28 besagt nur, dass in der Ewigkeit alles Gott untertan sein wird, nicht aber, dass die Verlorenen Anteil an der Herrschaft Gottes und Gemeinschaft mit ihm haben werden. Ähnliches gilt für Eph 1,9-11 und für Phil 2,10-11: Die in Eph 1,11 genannten Erben sind nur die gläubigen Christen, nicht aber alle Menschen.Wenn es in Phil 2,10 heißt, ”dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Er-den und unter der Erde sind”, so bedeutet dies keinesfalls, dass all diese Wesen, die ihr Knie beugen, mit Jesus Christus versöhnt sind und mit ihm Gemeinschaft haben. ”Wie jubelnd und selig werden die vor Jesus knien, die sich von Ihm erretten ließen, die Ihn liebten und für Ihn lebten! Wie entsetzt wer-den die in die Knie brechen, die stolz an Ihm vorübergingen oder ihn bekämpften” (de Boor in WStB, Der Brief des Paulus an die Philipper, Sonderausgabe 1989, S.82). - In 2. Kor 5,19 sagt Paulus, dass Gott die Welt in Jesus Christus mit sich selbst versöhnt hat. Diese Versöhnung kommt aber nur dem zugute, der sich mit Gott versöhnen lässt und Jesus Christus als Heiland und Herrn angenommen hat; ohne eine solche bewusste Zueignung der Erlösungstat Jesu Christi ist die Versöhnung mit Gott ausge-schlossen (vgl. bereits 2. Kor 5,20, aber auch z.B. Mk 1,15; Joh 3,3,5.7; Apg 16,31). Gleiches gilt für Kol 1,20. - In 1. Tim 2,4 kommt lediglich der Wille Gottes zum Ausdruck, dass alle Menschen gerettet werden sollen. Gott erzwingt die Durchsetzung dieses Willens aber nicht, sondern er sucht eine freiwillige Entscheidung des Menschen und respektiert, dass Menschen sich gegen ihn entscheiden und nicht zu ihm umkehren. Dann aber haben sie auch die ewige Strafe zu tragen. Schließlich handelt es sich bei 1. Petr 3,18-20 um eine sehr schwierige und sehr kontrovers ausgelegte Stelle. Auch aus ihr ergibt sich nicht die Konsequenz einer Rettungsmöglichkeit nach dem Tod (geschweige denn die schließliche Errettung aller). Denn dem stehen eine Vielzahl anderer ebenfalls plausibler Auslegungen sowie vor allem eine ganze Anzahl von Bibelstellen entgegen, aus denen eindeutig hervorgeht, dass nach dem Tod eine Veränderung des ewigen Schicksals nicht mehr möglich ist (z.B. Pred 11,3; Lk 16,26; Hebr 9,27). Das zu 1. Petr 3,18-20 Gesagte gilt ihn ähnlicher Weise für 1. Petr 4,6 (vergl. zu 1. Petr 3,18-20 und 4,6 näher Gitt, Und die anderen Religionen?, 6. Aufl. 1997, S.147 ff.).
- Auch mit angeblichen Inspirationen, Erleuchtungen und Privatoffenbarungen kann die Allversöhnungslehre nicht begründet werden, denn es ist ausgeschlossen, dass Gott Lehren offenbart, die im Widerspruch zu seinem Wort stehen. Derartige „Inspirationen“ können daher nicht von Gott stammen.
- Eine Versöhnung mit Gott und die Gemeinschaft mit ihm würde nach dem Zeugnis der Bibel Glaube und Buße des Menschen und deren Annahme durch Gott voraussetzen. Es stellt sich bereits die Frage, ob die Verlorenen noch zur Buße fähig und willig sind. Aus Stellen wie Pred 11,3 und Joh 9,4 wird man wohl folgern können, dass sich der von Gott abgewandte Zustand und die Bindungen an Sünde, Leidenschaften und Begierden nach dem Tod verfestigen und verewigen und eine Umkehr hiervon nicht mehr möglich ist. Der Mensch kann nur dann Buße tun, wenn Gott ihm Gnade zur Buße schenkt (vgl. Röm 2,4; Hebr 12,17) und es ist nicht anzunehmen, dass Gott denen, die im Zustand der Trennung von ihm gestorben sind, diese Gnade schenkt. Ferner stellt sich die Frage, wodurch und auf welche Weise Gott einen Menschen nach dessen Tod noch zur Buße führen will. Die Anhänger der Allversöhnungslehre nehmen an, dass dies durch das Erleiden der Strafe in Totenreich und Hölle geschehe. Aber auf diese Weise kann es niemals zu einer freiwilligen Buße und zu einer freiwilligen Entscheidung für Gott kommen, da das Motiv einer Buße und Umkehr unter diesen Umständen nicht Liebe zu Gott sein würde, sondern nur der Wunsch, die Fortdauer der Leiden zu vermeiden. „So haben wir das Allversöhnungsbild eines himmlischen Bräutigams, der sich bei seiner ´Braut` so lange mit Pein, Qual, Flamme und Strafe durchsetzt, bis all ihr Widerstand ausgebrannt ist. Wenn sie keinen Widerstand mehr leisten kann, dann fällt sie willenlos in seine Arme. Eine merkwürdige Art von Liebeswerbung!“ (Wilder-Smith, Allversöhnung – Ausweg oder Irrweg?, 2. Aufl. 1985, S.4
- Aber selbst wenn man annehmen wollte, dass solche Menschen noch zur Buße fähig und willig seien, so ist doch zu bedenken, dass diese Buße sie nur dann mit Gott versöhnen würde, wenn sie von Gott angenommen wird. Dies geschieht nur dann, wenn Gott ihnen die Genugtuung zurechnen würde, die Jesus Christus durch seinen Tod am Kreuz geleistet hat. Dies setzt jedoch voraus, dass der Mensch diese Gnade zu seinen Lebzeiten in Anspruch nimmt; nach dem Tod ist dies ausgeschlossen. Die Bibel sagt dazu in Hebr 3,8.15 eindringlich: „Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, verstockt eure Herzen nicht“. „Das Kreuz Christi hat seine Vergebungskraft verloren, weil man sie in der Stunde der Gnade willentlich abgelehnt hat“ (Kemner, Was wird nach dem Tode sein?, 1986, S.98).
- Der Einwand, dass es ungerecht sei, zeitliche Sünden ewig zu bestrafen, verkennt die Gerechtigkeit Gottes, die es ausschließt, Gemeinschaft mit Sündern zu haben, die nicht durch das Blut Jesu reingewaschen und gerecht gesprochen wurden. In das Himmelreich kann nichts Unreines eingehen (Offb 21,27); würden dort Sünder eingehen, die keine Vergebung durch das Blut Jesu Christi erlangt haben und die ihre Sünden in den Himmel mitbringen würden, so wäre der Himmel kein Himmel mehr. Und da es unmöglich ist, dass die, die ohne die Gnade Gottes verstorben sind, diese Gnade jemals erlangen (s.o.), so hat dies zur Folge, dass auch ihr Ausschluss vom Himmelreich ewig währen muss.
- Die Behauptung, Gott habe sich gewandelt und sei heute „barmherziger“ als zur Zeit der Abfassung der Bibel, verkennt völlig die Unwandelbarkeit Gottes (Hebr 13,8) und die Tatsache, dass Gott sich gegenüber einer sündigen Menschheit unvorstellbar barmherzig gezeigt hat, indem er seinen Sohn Jesus Christus für sie in die Welt gesandt und am Kreuz hat sterben lassen. Aber es gilt auch: Jesus Christus ist Gottes „letztes Wort“ in seinem Erlösungswerk (Wilhelm Busch). Wer ihn verwirft, verfällt dem ewigen Gericht.
Soweit Vertreter der Allversöhnungslehre annehmen, dass sogar der Teufel und die >Dämonen schließlich Buße täten und von Gott wieder angenommen würden, so steht auch dies Bibelstellen entgegen, die eindeutig von einer ewigen Bestrafung dieser Wesen im Feuersee sprechen (Offb 20,10). Außerdem verkennen und verharmlosen solche Ausleger völlig das absolut bösartige und zur Buße unfähige und unwillige Wesen dieser gefallenen Engel. Einige dieser Dämonen sind so bösartig, dass sie von Gott schon jetzt „mit Ketten der Finsternis“ in den Abgrund verbannt und dort gebunden sind (2. Petr 2,4). Von der Schöpfungsgeschichte (1. Mose 3) über die Versuchung Jesu in der Wüste (Mt 4) bis zum letzten Aufruhr des Teufels am Ende des Millenniums (Offb 20,7-10) berichtet die Bibel von ihnen nichts anderes als Hass, Rebellion und Aufruhr gegen Gott und seine Schöpfung. Die durch das Blut Jesu Christi Erlösten versucht der Teufel zur Sünde und zum Abfall zu verführen und damit für sich zurückzugewinnen (Eph 6,11-13; 2. Tim 2,26; 1. Petr 5,8). Er ist seit seinem Abfall von Gott ein Mörder und Lügner von Anfang an (Joh 8,44). In Anbetracht all dessen muss der Gedanke an seine schließliche Buße und Wiederannahme durch Gott geradezu als absurd erscheinen: „Nirgendwo in der Bibel findet man die geringste Spur einer Sinnesänderung oder Bußfertigkeit bei Satan. Seine Verhärtung ist komplett, irreversibel und ewig“ (Wilder-Smith a.a.O., S.20).
Die Allversöhnungslehre ist nach alledem eine biblisch unhaltbare Lehre, die den Gerichtsdrohungen Gottes den letzten Ernst nimmt und der Verkündigung des Evangeliums die Spitze abbricht. Sie beruht nicht auf einem biblischen Schriftverständnis, da sie eine Vielzahl von Bibelstellen im Gegensatz zu deren klaren Wortlaut auslegt. Außerdem vertritt sie ein falsches Gottesbild. Aufgrund dessen ist sie mit gesunder biblischer Lehre unvereinbar. Es muss gerade in unserer Zeit, in der die Liebe und Barmherzigkeit Gottes überbetont und seine Heiligkeit und Gerechtigkeit oft kaum noch ernst genommen werden, in Lehre und Verkündigung unbedingt deutlich gemacht werden, dass das ewige Schicksal eines jeden Menschen während der Dauer seines Lebens entschieden wird und dass danach keine Rettung mehr möglich ist. Dies macht die Verkündigung Jesu Christi als Erlöser umso dringlicher. Ansonsten würde der Verkündiger mitschuldig am ewigen Verlorengehen der nicht ausreichend Gewarnten werden, die sich aufgrund von falschen Lehren wie der Allversöhnungslehre in falscher Sicherheit wiegen.
Literaturhinweise
Kleines Theologie-Handbuch in 2 Bänden ,MABO PROMOTION 20081
Einzelhinweise und Quellen
Anmerkungen
Quellenangaben
Orginärer Autor: Thomas Zimmermanns