Hahn, Johann Michael

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war Landwirt und lebte von 1758 bis 1819. Auf ihn gehen die sogenannten Hahn´schen Gemeinschaften oder auch Michelianer zurück. Entscheidend war für ihn seine "Zentralschau" im jugendlichen Alter, ein zuerst einige Stunden im Freien auf dem Feld und danach länger auftretender und sich vertiefender visionärer Zustand. Hahn (H.) behauptete, dass er von Gott eine Offenbarung erhalten habe, einen Blick in das Herz Gottes, in das Geheimnis Gottes, wie dieser alles geschaffen habe und alles zur Vollendung im Sinne der Wiederbringung aller Dinge ("Allversöhnung") führt. Er berichtet darüber:

"Zum ersten Mal hielt die Erleuchtung bei drei Stunden an, und da sie einige Zeit danach wieder kam, dauerte es bei sieben Wochen fast ununterbrochen und so kam es hernach oft wieder. Hieraus ist nun klar, dass ich Gott gefunden und dass meine Fragen beantwortet wurden; denn ich sah in die innerste Geburt und allen Dingen ins Herz, und mir war, als wäre auf einmal die Erde zum Himmel geworden und als ob ich die Allenthalbenheit Gottes schauete; mein Herz war gleich der ausgedehnten Ewigkeit, darinnen sich Gott offenbart."

Doch greift auch H. auf schriftlich vorliegende Quellen zurück, insbesondere auf Veröffentlichungen Jakob Böhmes und Friedrich Christoph Oetingers, wobei er immer wieder die Unmittelbarkeit seiner eigenen Zentralschau betont. Über Böhme schreibt er in einem Brief:

"Sie fragten mich ferner, was von Jakob Böhmen zu halten sei? Ich sage: recht viel ist von ihm zu halten. Diesen teueren Gottesmann lernte ich, Gott sei Dank! nicht eher kennen, als es für mich gut war. Denn ich sollte vor meiner centralischen Erleuchtung mit keinem Menschen von der Art bekannt sein, auf dass nicht Verhinderliches von seinem System durch meine Vernunftbegriffe möchte dem Geist drein getragen und vermengt werden, weil ich das System meiner Erkenntnis sollte unmittelbar von Gottes Geist haben, wie er, Böhm, das seine."

Welche Erkenntnis wurde H. zuteil? Der Logos, das Wort, ist für ihn die schaffende Kraft der Natur. Alles natürliche Dasein ist eine Evolution göttlicher Eigenschaften. Wir sehen auch hier eine Verschmelzung von Geist und Natur (Einfluss Oetingers). H.s Schöpfungsleiter umfasst - echt kabbalistisch - 49 (sieben mal sieben) Stufen (Kabbalah). Er unterscheidet je sieben Licht-, Engel-, Paradies-, Feuer-, Geistes-, Planeten- und Höllenwelten. Gott steht "als 50. Stufe" an der Spitze dieser Welten- und Geisterhierarchie, Satan hingegen ganz unten. Sowohl Himmel als auch Hölle werden auf diese Weise relativiert. H. schreibt:

"Wir betrachten jetzt den leidigen Feuersee, in welchem auch verschiedene Strafen nach verschiedenen Gerichten, die aus verschiedenen Werken und Handlungen hergeleitet werden, stattfinden. Je nachdem Einer vorzüglich böse gewesen, ist er dem Satan näher, welcher vermutlich seinen Sitz im untern Mittelpunkt des Feuersees haben wird; so wie die Höherseligen der Stadt Gottes und Gott, unserm Herrn, näher sein werden. Je näher also bei dem Herrn, desto seliger; je näher dem Satan, desto verdammter." (Stroh, 561).

Der Sündenfall wird mehr körperlich als geistig gesehen: Der mann-weibliche (androgyne) Adam verfällt der Geschlechtslust der Sinnlichkeit. Dies ist für H. ein wichtiges Element des Sündenfalls. Im mannweiblichen Adam sind beide Geschlechter in einem zusammengefasst. Erlösung heißt für H.: Jesus schwitzt die Sinnlichkeit durch sein Blut aus und verklärt das Fleisch in die Geistleiblichkeit. H. schreibt:

"Da der Mensch alle Lebenseigenschaften und Weisheitsarten, welche andere Geschöpfe geteilt hatten, ganz in und an sich hatte und begriff, konnte er auch Allen den eigentlichen wahren Namen, nach seiner Eigenschaft und Art, geben. Da er nun in Betrachtung der Geschöpfe die Zerteilung der Tinkturen in männlichen und weiblichen Geschöpfen wahrnahm, und allzulang dabei verweilte, benutzte der Versucher die Gelegenheit und erregte in ihm die niedersinnliche Tierlust, auch ein Bild seinesgleichen zur Geschlechtsvermehrung zu haben. Hier war er also schon von der edlen Braut der Weisheit Gottes und ihrer herrlichen Betrachtung abgekehrt und gewichen." (ebd., 135). "Adam hat der armen Tierwelt geraubt den Lebens- und Lichtseinfluß seiner Tinktur zur Erhöhung und ihre ihm entgegenfließenden Essentien; daraus sein Leib tierisch und grob wurde. Aber Christus, da er mit dem Tode rang, hat ebensoviele Schweißlöcher eröffnet an seinem heiligen Leibe, als Adam Tiergeschlechtern geraubt hat, und er schwitzte mit Schmerzen das Blut von sich, das Adam geraubt hat mit Lust." (225 f.).

Hier wird die Sünde sehr stark im sinnlichen, im sexuellen Bereich gesehen. Sie wird durch das Blut Jesu beseitigt. Der Mensch wird verklärt in die geistleibliche Sphäre. Es bewegt sich alles (wie ähnlich schon bei Origenes) hin zur Vergeistigung, zur Wiederbringung aller Dinge und Versöhnung des Alls (z.B. auch in der Vereinigung getrennter Himmelskörper!). So führt H. aus:

"Nein, es wird endlich kein Tod, keine Hölle, kein Feuersee, kein Satan und Belial mehr sein; denn so lange Das alles ist, kann Gott nicht selbst Alles in Allem sein. Wenn aber Tod, Teufel und Hölle und also alles Böse nicht mehr ist, wo ist es denn hingekommen? Ist es dann vernichtet und so aufgelöst und aufgehoben, dass es gar nicht mehr existiert und ist? - Nein! So nicht. Sondern es ist durch den Wiederbringer und die Wiederbringungs-Anstalten herwiederbracht. Das Kranke ist gesund und geheilt, das Tote lebendig gemacht worden; der Rebellen sind nun keine mehr; selbst der Allerärgste, also der letzte Feind ist aufgehoben." (577).

Kritische Leser erkennen hier alte Einflüsse der Gnosis, die - vermittelt etwa durch den Alexandriner Origenes - u.a. aus der ägyptischen Religion in das Christentum eingedrungen sind (vgl. zu Oetinger). In der Gnosis findet sich folgendes Weltbild: Ursprünglich herrschte nur der Geist, der Logos, das Wort. Dieser Geist trat dann ein in die Materie. Diese muss über Läuterungsstufen mit Hilfe des Logos zur Vergeistigung geführt werden. Dieses Grundschema finden wir in vielen Systemen, so unter anderem auch in der fernöstlich geprägten Theosophie Helena Petrovna Blavatskys und in der aus dieser hervorgegangenen Anthroposophie Rudolf Steiners (als deren westlich-"christlicher" Variante). Besonders Steiner beruft sich immer wieder auf Oetinger und andere theosophisch orientierte pietistische Väter, geht aber in seinem eigenen System viel weiter als diese und ist völlig einem wissenschaftlich verbrämten Spiritismus verfallen.

Doch gehen wir noch einmal zurück zu Michael H.. Sakrament, Predigt und innere Erleuchtung übertragen laut Michael H. die geist-leiblichen Elemente des erhöhten Christus auf den Christen, woraus die "Wiedergeburt" erfolgt. Es geht hier also nicht nur um das Hören des Wortes und um Bekehrung, sondern vor allem um Kräfte, die aus der höheren Welt übertragen werden. H. hatte ja auch Verkehr mit "geistigen Welten", seiner Ansicht nach Engelwelten. Hier ist allerdings Vorsicht angesagt: Immer muss man fragen: Was sind das denn für geistige Mächte, die mich inspirieren? Welches sind deren Quellen? Wir merken, wie hier Zusammenhänge in der Geistesgeschichte festzustellen sind. Bei Michael H. vermischt sich starker Bibelglaube mit seltsamen Lehren, die nicht alle aus dem christlichen Bereich stammen. Wie kurz aufgezeigt, kommt vor allem die Lehre vom Fall in die Materie und Wiederaufstieg zum Geist aus der Gnosis, welche ja schon in urchristlicher Zeit von den Aposteln bekämpft wurde (vgl. 1. Tim. 6,20 f.). Ich sage dies mit großer Trauer, da ich viele Christen aus den betreffenden pietistischen Gemeinschaften kenne und persönlich sehr schätze. Mit der hier geäußerten Kritik spreche ich keinem von diesen ihren persönlichen echten, rettenden Glauben ab, bitte aber jeden, alle Lehren an der Heiligen Schrift zu prüfen, auch die Lehren der pietistischen Väter. Denn es gilt: Wir irren alle mannigfaltig. Unsere Erkenntnis ist Stückwerk (vgl. 1. Kor 13,12). Trotz aller Kritik an den pietistischen Vätern, die nicht verschwiegen werden konnte, bleiben sie uns doch überwiegend Vorbilder im Glauben, in der Liebe und in der Hoffnung. Dankbar dürfen wir in vielem auf das Vorbild zurückblicken, das sie uns hinterlassen haben. Vor allen Lehren jedoch, die über den Wortsinn und Zusammenhang der Heiligen Schrift hinausgehen, sollten wir uns hüten, auch wenn sie sich bei pietistischen "Vätern" oder anderen Vorbildern im Glauben finden (vgl. Offb 22,18 f.).

Literaturhinweise

L. Gassmann, Pietismus – wohin?, 2003
W. F. Stroh, Die Lehre des württembergischen Theosophen Johann Michael Hahn, 1936
Kleines Theologie-Handbuch in 2 Bänden ,MABO PROMOTION 20081

Einzelhinweise und Quellen

Anmerkungen


Quellenangaben


Orginärer Autor: Lothar Gassmann



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